Doppelt hält besser: Nachhaltigkeit und Digitalisierung wirkungsvoll begegnen
Ein Beitrag von Maximilian Düerkop und Andreas Steffen
Einleitung:
Wirkung ist kein Zufall – sie ist gestaltbar.
Wir leben in einer Welt, in der Organisationen ständig zwischen Effizienz und Sinnhaftigkeit, Innovation und Resilienz, Digitalisierung und Nachhaltigkeit navigieren müssen. Doch inmitten dieser Komplexität geht oft das Wichtigste verloren: die Frage nach der nachhaltigen Wirkung.
Doch was genau heißt es eigentlich, nachhaltig wirksam zu sein? Reichen dafür Klimaziele, ESG-Reports oder Purpose-Statements? Ist es ausreichend, Prozesse zu digitalisieren oder Meetings zu diversifizieren? Wohl kaum.
Nachhaltige Wirkungsorientierung bedeutet:
den richtigen Dingen Aufmerksamkeit zu schenken
Systeme langfristig zu verändern
Menschen zu befähigen, ihre Fähigkeiten sinn- und wirkungsvoll einzusetzen
und das alles innerhalb von Strukturen, die Zukunft ermöglichen – nicht nur absichern.
Das Konzept der doppelten Transformation (oft auch Twin Transformation genannt) bringt es auf den Punkt: Organisationen müssen heute gleichzeitig digital und nachhaltig transformieren – nicht nacheinander, nicht halbherzig, sondern tiefgreifend und integriert.
Das gelingt nur, wenn wir neue Denkmodelle und Handlungsrahmen nutzen: Zwei davon sind die Donut-Ökonomie und der Deep Design-Ansatz. Beide Modelle bilden kein starres Raster, sondern bieten jeweils ein flexibles Gedankengerüst für Führung, Organisation und Wirkung. Sie helfen uns, die richtigen Fragen zu stellen und praktikable Antworten zu entwickeln.
Bildlich gesprochen sind sie sowohl Kompass als auch Ausrüstung auf dem Weg zur Wirkung.
Das Ziel sind Organisationen, die nicht nur leistungsfähig, sondern wirklich wirksam sind – für sich selbst, für andere, für morgen.
Donut-Ökonomie: Zwischen sozialen Fundamenten und planetaren Grenzen
Die von Kate Raworth entwickelte Donut-Ökonomie liefert ein kraftvolles Bild:
Im Inneren des Donuts liegt das gesellschaftliche und soziale Fundament – Grundbedürfnisse der Menschen wie Bildung, Gesundheitsversorgung, Gleichstellung, Einkommen. Wer hier „hindurchfällt“, lebt in Mangel. Am äußeren Rand befinden sich die planetaren Grenzen als ökologisches Dach – etwa CO₂-Ausstoß, Artenvielfalt, Stickstoffkreisläufe. Wer über diesen Rand hinaus wirtschaftet, gefährdet das gesamte Ökosystem.
Quelle: Kate Raworth, Christian Gutier; Grafik: 5STEP
Der Donut ist also kein Snack, sondern ein Steuerungskonzept. Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft müssen gemeinsam lernen, innerhalb dieses sicheren Handlungsraums zu operieren.
Die Kunst besteht darin, nicht nur Schäden zu vermeiden (Fußabdruck), sondern einen positiven Impact (Handabdruck) zu erzeugen.
Die sieben Prinzipien der Donut-Ökonomie helfen dabei:
Ziel verändern (Welches Ziel verfolge ich als Organisation tatsächlich – über monetäre Ziele hinaus?)
Das große Ganze sehen (Wie integriere ich eine systemische Denkweise in meine Entscheidungen?)
Menschliche Natur fördern (Wie stärke ich Vertrauen und Kooperation?)
Mit Systemen umgehen lernen (Wie lerne ich als Organisation?)
Verteilung gestalten (Wie verteile ich Ressourcen, Erfolge und Misserfolge entlang des Systems?)
Regeneration ermöglichen (Wie kann ich regenerativ und zirkulär handeln?)
Wachstum relativieren (Was bedeutet Wachstum für uns?)
Deep Design: Die Architektur nachhaltiger Wirksamkeit
Für Unternehmen und Organisationen stellt sich unumgänglich die Frage: Wie schaffe ich einen sicheren und gerechten Rahmen? Für meine Mitarbeitenden, deren Familien und Freunde, meine Geschäftspartner, meine Nachbarn – für all die Systeme, in die ich hineinwirke? Wie wird aus meiner Donut-Orientierung eine neue operative Realität? Genau hier setzt das Deep Design an.
Deep Design meint nicht die adrette Gestaltung von Logos oder Nutzeroberflächen – sondern beschreibt die tiefenstrukturelle Gestaltung einer Organisation. Es geht um die Frage: Wie ist unsere Organisation „gebaut“, um nachhaltig wirksam zu sein?
Im Zentrum steht die Erkenntnis: Strukturen formen Verhalten. Und umgekehrt. Wer Wirkung will, muss die Grundlagen gestalten:
Purpose (Zweck): Wofür existieren wir? Wie machen wir die Welt im Großen oder Kleinen besser?
Networks (Netzwerke): Wie bauen wir Beziehungen auf, die Resilienz und Innovation ermöglichen?
Governance (Steuerung): Wie treffen wir unsere Entscheidungen – transparent, inklusiv und legitim?
Ownership (Eigentum): Wem gehört die Organisation – mit welchen Rechten & Verantwortungen?
Finance (Finanzen): Wie gestalten wir Kapitalströme so, dass Wirkung und Investition zusammenpassen?
Deep Design erfordert ein iteratives Vorgehen, das aus klassischen Managementsystemen bereits bekannt ist: Plan – Do – Check – Act.
Es geht also nicht um einmalige Umstrukturierungen, sondern um ein konsequent lernendes System, das Wirkung systematisch analysiert, verbessert und kommuniziert.
Grafik: 5STEP
„Plan“ steht dabei für das bewusste Gestalten von Strukturen und Zielen, „Do“ für die Umsetzung konkreter Maßnahmen im Alltag. „Check“ beschreibt die kontinuierliche Überprüfung der Ergebnisse anhand klarer Wirkungsindikatoren, und „Act“ bedeutet, aus dem Gelernten gezielt Anpassungen abzuleiten und neue Impulse ins System zurückzugeben.
In Kombination mit der Donut-Ökonomie entsteht hierbei ein ganzheitliches Transformationsmodell.
Drei Szenarien für wirksame Organisationen
Um die viele Theorie konkret, handfest und damit greifbarer zu machen, folgen jetzt als kleine Zeitreise drei Szenarien, die vielleicht bald Realität werden und Wirkung entfalten.
Grafik: 5STEP mit ChatGPT
Szenario 1: Verwaltung Smarthausen – Digitalisierung trifft Gemeinwohl
Im Jahr 2035 hat sich die Verwaltung von Smarthausen neu erfunden. Statt Fristen und Formularen steht das positive Wirkungserlebnis der Bürger:innen und Unternehmen im Fokus. Beispielsweise vermittelt eine KI-gestützte Plattform entsprechende Anliegen direkt an lokale Partner – von Circular-Economy-Startups bis zu kommunalen Gärtner:innen.
Die CDOs der Stadt arbeiten mit holografischen Wirkungsdashboards, die nicht nur CO₂-Werte, sondern auch soziale Reichweiten, Barrierefreiheit und Zufriedenheit anzeigen. Der Alltag der Verwaltung ist von regenerativen Prinzipien geprägt – etwa durch flexible Arbeitszeiten, digitale BGM-Angebote und kollektive Entscheidungssprints.
Nachhaltige Wirkungen: u.a. Vertrauensaufbau, mentale Gesundheit, digitale Souveränität, CO₂-Reduktion, partizipative Governance
Erforderlich: u.a. Strategieentwicklung mit Donut-Fokus, Führungstraining zu Deep Design, klare Visionen (mehr dazu in Szenario 1.1–1.4 aus den 5STEP-Wirkungsräumen)
Szenario 2: Mittelständisches Unternehmen „SolarTek“ – Innovation durch Strukturwandel
„SolarTek“ entwickelt Photovoltaik-Lösungen und nutzt die Donut-Logik zur Neuordnung der eigenen Wertschöpfung. Die Lieferketten werden transparenter und resilienter, zirkuläre Prozesse sind bereits seit mehreren Jahren Standard. Die Eigentümerstruktur wurde in Verantwortungseigentum überführt, Entscheidungsprozesse werden partizipativ gestaltet.
Die Finanzierung von „SolarTek“ und ihren F&E-Projekten erfolgt über regenerative Kapitalfonds mit festgelegter Impact-Quote. Die Mitarbeitenden sind am Unternehmen beteiligt, Netzwerke mit regionalen Partnern fördern Innovation. Die Wirkung wird systematisch evaluiert.
Nachhaltige Wirkungen: u.a. Ressourcenschonung, Mitarbeitendenbindung, Innovationskraft, ökologische Resilienz
Erforderlich: u.a. neue Ownership-Modelle, transparente KPIs, Förderprogramme für Deep Design-Transformation (mehr dazu in Szenario 2.3, 3.4, 5.4 in den 5STEP-Wirkungsräumen)
Szenario 3: Hochschule Nova – Lernökosystem für nachhaltige Transformation
Die „Hochschule Nova“ versteht sich nicht mehr als Institution, sondern als ökosystemisches Lern- und Transformationslabor. Statt Fachbereichen gibt es Wirkungsfelder: Klima, Energie, Ethik, Data Justice.
Lehre, Forschung und Praxis werden in Co-Creation mit Kommune und Wirtschaft gestaltet. Studierende lernen, wie sie Wirkung messen, Designprinzipien anwenden und Transformation gestalten. Gleichzeitig wird das gesamte Hochschulsystem entlang der Donut-Logik reorganisiert – von der Mensa bis zur Campusenergie.
Nachhaltige Wirkungen: u.a. Transdisziplinäre Bildungsformate, gesellschaftliche Relevanz, institutionelle Agilität.
Erforderlich: u.a. Curricula-Reform, Partizipationsformate, Wirkungsmessung in Forschung & Lehre (mehr dazu in Szenario 4.4, 5.1, 5.5 in den 5STEP-Wirkungsräumen)
Nachhaltige Wirksamkeit ist lernbar – mit Struktur, Sinn und System
Organisationen sind keine Maschinen – sie sind lebendige Systeme. Wer nachhaltige Wirkung erzielen will, muss sie systemisch gestalten, nicht zufällig erzeugen. Genau dafür bieten Donut-Ökonomie und Deep Design gemeinsam mit den zehn Wirkungsräumen von 5STEP einen wirksamen Orientierungsrahmen.
Was bedeutet das konkret?
Wirkung beginnt beim „Warum“ (Why) – also beim Purpose.
Sie wird sichtbar im „Wie“ (How) – in Governance, Ownership und Kultur.
Und sie entfaltet sich im „Was“ (What) – in Strategien, Produkten, Beziehungen.
Damit dies geschehen kann und entsprechende Voraussetzungen in einer Organisation entstehen, sind bis zu zehn Wirkungsbereiche relevant, die sich alle gegenseitig systemisch beeinflussen können:
Strategische Klarheit und Zielorientierung
Führung und Kultur
Vertrauen und psychologische Sicherheit
Kommunikation und Transparenz
Zusammenarbeit und Kollaboration
Innovationskraft und Lernkultur
Engagement und Eigenverantwortung
Motivation und Sinnhaftigkeit
Gesundheit und emotionale Kompetenz
Fachkräftebindung und Attraktivität
Zehn Wirkungsräume, Grafik: 5STEP
Fazit:
Wenn eine Organisation beginnt, sich selbst als lernendes System zu verstehen – mit Raum für Reflexion, Experiment, Kooperation und Fehlerfreundlichkeit –, dann wird Wirkung nicht zur Ausnahme, sondern zur Gewohnheit.
Das ist nicht trivial. Aber möglich. Und: Es ist die bessere Zukunft.
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PS: Falls sich jemand für Wirkungsräume und Szenarien interessiert, geben wir gern Einblick in die jeweiligen Wirkungsindikatoren, an denen Outcome & Impact bemerkt und gemessen werden können, und auch zu erforderlichen Aktivitäten, um dorthin zu gelangen.
20 Szenarien & Steckbriefe: Dadurch spüren, messen und erreichen wir die nachhaltige Wirkung als lernende Organisation.