Gesundheit als Kapital?

(Ent-)Spannung in den Start-ups: Die Bedeutung der mentalen Gesundheit in Zahlen

von Lea Mersch

Zwischen den Stühlen der Erwartungen von Venture Capitals (VC) und den Erwartungen an sich selbst zerbricht sich ein Berliner Founder den Kopf, wie er die roten Zahlen gut rechtfertigen kann, bevor er sein verschnupftes Kind heute früher von der Kita abholen muss.  

Wenigen Straßen entfernt, in einem anderen mit Siebträgermaschine und USM Haller ausgestatteten Büro, fragt sich eine Gründerin, wann sie in dieser 80-Stunden-Woche ihre Beziehung mit dem zeitfressenden Freund beenden soll.

12.000 km weiter südlich in Kapstadt stellt sich wiederum ein anderer Founder schon seit Tagen die Frage, wie er das durch den täglichen Stromausfall vollkommen instabile WLAN und seine resultierende Unerreichbarkeit dem Investor erklären soll.

Unter Druck gesetzt

Mit einer Studie mit 230 Gründer:innen hat sich das VC-Unternehmen Balderton Capital selbst enorm unter Druck gesetzt: In der wettbewerbsorientierten und schnelllebigen Start-up-Branche klagen 71 Prozent aller Founder (w/m/d) über die Erwartungshaltung der VCs, dass sie die Arbeit über ihre mentale Gesundheit stellen müssen. Mit drastischen Konsequenzen: Denn viele Studienteilnehmer:innen berichten von stressbedingten physischen Belastungssymptomen wie Rückenschmerzen, Migräne, Infektanfälligkeit und sprechen von zahlreichen psychischen Symptomen, darunter Ein- und Durchschlafstörungen, innere Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit und Angstgefühle. In Summe: Belastungssymptome ganz nah an Symptomen der Depression.

Aber es sind nicht nur die Erwartungshaltungen der Geldgeber, die dazu führen, dass 80 und mehr Wochenstunden bei Gründer:innen nicht die Ausnahme sind. Die Süddeutsche Zeitung schreibt, dass es insbesondere die romantisierende Idealisierung der eigenen Firmengründung ist, die zur Überidentifizierung mit der Arbeit und infolgedessen zur Vernachlässigung der persönlichen Bedürfnisse, Beziehungen und des körperlichen Wohlbefindens führt. 90 Prozent der befragten Gründer:innen sind sich einig, dass die hohen Ansprüche an sich selbst und an den Firmenerfolg die Quelle der ungesunden Überproduktivität seien – und das, obwohl 88 Prozent von ihnen sagen, dass derselbe Stress zu schlechten Entscheidungen führt.

Selbstwertgefühl, Leistung und Befürchtung

Glaubenssätze wie „Du bist nur liebenswert, wenn du erfolgreich wirst“ und „Du musst leisten, um gemocht zu werden“ oder auch Befürchtungen wie „Was werden die anderen sagen, wenn du scheiterst“ können vorübergehend motivierend wirken, keine Frage. Allerdings führen sie auch zur Selbstwertstabilisierung einzig über den Unternehmenserfolg. Bei einer Scheiterquote von 70 bis 90 Prozent (die genaue Zahl ist schwer zu beziffern) in den ersten drei Jahren ist das keine wirklich gute Ausgangslage.

Was ist das heilende Pflaster für eine Ad-hoc-Stressreduktion, worin liegt der heilige Gral einer gesunden Balance? Unter anderem gehören dazu Routinen wie Schlafhygiene, das Einhalten kurzer Pausen während des Tages, ausreichende Erholung, körperliche Aktivität, soziale Kontakte und „kleine Tricks“ wie Atemübungen. Eigentlich trivial und doch so schwer umsetzbar. Was wirklich hilft? Hier macht Übung die Meister:in, um hilfreiche Routinen zu entwickeln und sowohl gesund als auch leistungsfähig zu bleiben.

Um nachhaltig und selbstverantwortlich die Gesundheit aufrechtzuerhalten und sich nicht von den eigenen Ansprüchen leiten zu lassen beziehungsweise den Unternehmenserfolg nicht als einzige kraftgebende Ressource zu zählen, hilft vor allem die Arbeit an den eigenen Glaubenssätzen.

Unterstützung fürs Reframing

Glaubenssätze: unsere inneren Antreiber, die wir von unseren Bezugspersonen in der Kindheit und Jugend mitbekommen haben. Solch ein Reframing gelingt nicht über Nacht, kann jedoch mit Hilfe gut ausgebildeter Coaches gut bearbeitet werden. Aber Achtung: Coaching und psychologische Beratung sind kein Ersatz, wenn die aktuellen Schwierigkeiten einen Krankheitswert mit hohem Leidensdruck haben. Dann hilft Psychotherapie. Glücklicherweise haben die Corona-Pandemie, Social Media und die gestiegene Sensibilität der Gen Z zur Entstigmatisierung psychischer Belastungserscheinungen beigetragen, sodass es keine vermeintliche „Schwäche“, sondern besprechbar geworden ist, sich Unterstützung durch Psychotherapeut:innen zu holen.

Doch insgesamt muss sich im Spannungsfeld der Start-up-Ökosysteme etwas systemisch ändern, damit weiterhin und langfristig innoviert werden und es zur essenziellen Entspannung kommen kann. Mit Blick auf die Zahlen ist es kein Wunder, dass sich die befragten Gründer:innen mehr Verständnis und Unterstützung von den Geldgebern wünschen und sich 81 Prozent einig sind, dass sie selbst die Verantwortung im Start-up-Ökosystem dafür tragen, der mentalen Gesundheit deutlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Gleichzeitig berichteten 61 Prozent der befragten Teilnehmer:innen von einem spürbaren Bedeutungsgewinn von Gesundheit und Wohlbefinden in ihren Unternehmen.

Die Zeit ist reif!

Die Zeit ist gekommen, diesen steigenden Stellenwert zu nutzen und ernst gemeinte Mental-Health-Initiativen zur Beibehaltung der psychischen Gesundheit in den Organisationen einzuführen!

Für Trainings und Workshops zu Mental Health oder psychologisches Coaching auf Individual-Level kontaktieren Sie uns.