Angst: Was dabei im Kopf und Körper passiert

Eine kompakte neurobiologische Betrachtung von Max Happel

Was bei Angst vor/durch Veränderung in deutschen Amtsstuben (und nicht nur dort) passiert, haben wir in unserer NEGZ-Studie „Angst im Wandel” beschrieben.

Wer mit neurobiologischer Perspektive noch etwas tiefer schauen und verstehen möchte, was in diesem stressigen Zustand in & mit uns passiert, findet hier eine eine kompakte Beschreibung von Prof. Dr. Max Happel, Hirnforscher am Leibniz-Institut für Neurobiologie und Professor für Humanmedizin und Prorektor für Forschung & Innovation an der Medical School Berlin (MSB).

 

Angst – eine neurobiologische Kurzanalyse

Es geht richtig schnell

Unser autonomes Nervensystem funktioniert unter Stress wie das Gaspedal in einem Auto. Unser aktivierender Teil des Gehirns, der sogenannte Sympathikus, löst dabei im gesamten Körper die Kampf-oder-Flucht-Reaktion aus. Das verleiht unserem Körper einen Energieschub, damit er auf wahrgenommene Gefahren reagieren kann. Die Nebenniere schüttet Adrenalin aus. Das Herz schlägt jetzt schneller und kräftiger, damit Muskeln und Lunge besser durchblutet werden können. Jeder Atemzug saugt mehr Luft durch die Lungenflügel, das Gehirn wird besser durchblutet, wodurch sich unsere Wachsamkeit und Aufmerksamkeit erhöht.

Sehen, Hören und andere Sinne werden schärfer, auf einmal nehmen wir viel mehr um uns herum wahr als zuvor – was aber auch dazu führt, dass sich unsere Erinnerungsspanne deutlich verkürzt. Langfristige Abwägungsprozesse weichen kurzfristig erfolgreichen Reaktionsmustern (Fight or Flight). Blutzucker und Fette werden aus Speicherorten im Körper gelöst und decken den erhöhten Grundumsatz aller Organe.

Schlange oder Nichtschlange?

Diese Veränderungen geschehen so rasant, dass wir Menschen uns all dessen nicht bewusst sind. Tatsächlich passiert das sogar schneller, als die Bewusstwerdung der Stressreaktion braucht. Deshalb sind wir in der Lage einem Ast im Wald auszuweichen, bevor wir darüber nachdenken und erkennen, dass es doch keine Schlange ist.

Nach dem blitzschnellen Anstieg von Adrenalin aktiviert unsere Hormonsteuerzentrale im Gehirn, der Hypothalamus, den zweiten Bestandteil des Stressreaktionssystems (ein kompliziertes Netzwerk aus Hypothalamus, der Hypophyse und den Nebennieren, auch bekannt als HPA-Achse). Über dieses Netzwerk und eine Reihe von hormonellen Signalen hält das sympathische Nervensystem mittels dem Stresshormon Cortisol das „innere Gaspedal“ fest gedrückt.

Hohe Drehzahl

Manche Menschen können dieser Cortisol-Ausschüttung wegen chronischer Belastungen keinen Einhalt zu gebieten. Chronischer Stress ist dann, ähnlich wie ein Motor, der zu lange zu übertourig im Leerlauf läuft, ineffektiv – und verbraucht außerdem sehr viele Ressourcen. Dieser Zustand führt langfristig zu verschiedensten Gesundheitsproblemen, schädigt Blutgefäße, sorgt für erhöhten Blutdruck und bedingt das Risiko von Herzinfarkten oder Schlaganfällen. 

Glücklicherweise kann man lernen, seine Stressreaktion im Körper zu beeinflussen. Das ist im Zuge der Anpassungsfähigkeit an unsere Umwelt auch sinnvoll: Ängste sind nicht „böse“ und nichts Starres, sie sind unser körpereigenes Warnsignal.

Und so können wir lernen, welche Dinge doch nicht gefährlich sind (beispielsweise die neuen Kolleg:innen) oder dass wir uns vor neuen Gefahren schützen müssen beziehungsweise bewusst und mit möglichst klarem Verstand deren potenzielle Risiken (der neue mysteriöse Nachbar, Künstliche Intelligenz, die die Weltherrschaft übernehmen will – oder deutlich zu viel Stress, durch den wir unsere Gesundheit schädigen?) betrachten sollten.

 

Mehr Wissen?

Weitere Insights zu Themen wie „Unterschiede von Ängsten, Angststörungen und Panikstörungen“ geben wir Ihnen gern. Entweder hier in einem nächsten Blogartikel – oder Sie sprechen uns an für einen exklusiven „Neuro-Chat” in Ihrer Organisation.

 

Gerne bringen wir einige Basics für den besseren (aktiven und gesünderen) Umgang mit Angst in Ihre Organisation oder Ihr Team.

 
 
 

Noch zwei Lesetipps für Neugierige:

Primär-Literatur zu „Hirn unter Stress“